Als Kriechströme bezeichnet man Stromflüsse, die an der Isolation vorbeifließen. Jede Leitung ist isoliert, um den Betreiber vor Stromschlägen zu schützen. Durch eine schadhafte Ummantelung kann es zum Ausfluss und zu einer Fehlleitung von Strom kommen. Auch minderwertiges Isolationsmaterial kann eine Ursache sein, ferner UV-Strahlung und Rost.
Kriechstrom: Ursachen
Andere Bezeichnungen für das bisweilen unangenehme Phänomen sind vagabundierender Strom, Streuspannung oder Leckstrom. Die fehlerhaften Stromverläufe verursachen Stromschläge, die zwar minimal ausfallen, aber doch deutlich spürbar sind und bis zum Totalausfall des Geräts führen können. Einige Benennungen nehmen auch die Ursache des Phänomens auf, wie Korrosions- oder Schutzleiterstrom.
Die Fehlerströme entstehen besonders häufig durch unvollkommene Isolierungen der Verbindungen oder beim unsachgemäßen Zusammenführen von Neutralleiter und PE-Führung zu einer Ader. Aber auch die verwendeten Betriebsmittel können Kriechströme auslösen. Hierher gehören diverse Elemente der einzelnen Komponenten und auch der gesamten elektrischen Installation. Besonders anfällig sind Leuchtensysteme, Photovoltaikanlagen, Netzteile und Ladeeinrichtungen.
Wo können sie sich ereignen?
In der Land- beziehungsweise Viehwirtschaft führen Überspannungen häufig zum Ausfall der Elektronik. Stallbetriebe sind meist mit Niederspannungsanlagen ausgerüstet, die Melkanlagen und Lüftungssysteme sind von Kriechströmen häufig betroffen und in ihrer Funktionalität beeinträchtigt. Auch in Kraftfahrzeugen und PC-Systemen, die beide mit 12-V-Anlagen betrieben werden, kann es zu ungewollten Stromflüssen kommen. Ausgelöst werden die fehlerhaften Ableitungen durch Schalthandlungen, Kurzschlüsse oder Blitzentladungen.
Liegt eine Spannung an und besteht ein ausreichender Abstand zum Stromleiter, können Gleitentladungen nicht entstehen. Verschmutzen jedoch Abrieb oder Staub die Oberfläche, kann bei erhöhter Luftfeuchtigkeit eine ausreichend leitfähige Oberfläche entstehen. Auf diesem Belag fließt anschließend der sogenannte Kriechstrom.
Einige Materialien reagieren empfindlich auf den so entstehenden Energieeintrag, und dann zerstört die elektrochemische Belastung mit der Zeit die Isolation. Der Weg des Fehlstroms wächst durch den Kohlenstoffanteil der Abbauprodukte und verstärkt sich, bis er sich als tatsächlicher Durchschlag bemerkbar macht.
Vorbeugung von Kriechstrom durch eine zuverlässige Trennung
Der Laie kann sich in seiner heimischen Umgebung durchaus behelfen, wenn das Phänomen auftritt. Zunächst ist ein sachgemäßer Umgang mit den elektrischen Komponenten die erste Voraussetzung, um Fehlleitungen zu vermeiden. Treten die Beeinträchtigungen aber trotzdem auf, kommt zunächst fehlerhaftes oder minderwertiges Isolationsmaterial als Fehlerquelle in Betracht. Dann hilft oft der Auftrag von Fett oder Wachs, um den Missstand zu beseitigen.
Die verwendeten Isolationen sollten hochwertig sein und den entsprechenden Standards entsprechen. So gewährt der Hersteller eine zuverlässige Trennung der stromführenden Komponenten. Die Maßnahmen schützen den Nutzer vor elektrischen Schlägen und verhindern Sachschäden, etwa durch Feuer. Sie stellen langfristig einen störungsfreien Betrieb der Anlage sicher. Der Isolation kommt damit eine hohe Bedeutung hinsichtlich Funktionalität und Betriebssicherheit einer elektrischen Einrichtung zu.
Materialermüdung durch Wärme
Allerdings unterliegt jede Kunststoffisolierung einer gewissen Alterung. Deshalb gelten die Angaben des Herstellers im Datenblatt des Produkts immer nur für ein neuwertiges Gerät, das unter normgerechten Bedingungen betrieben wird. Wesentlicher Grund für die Alterung der Materialien ist die Wärme.
Bei einer erhöhten Temperatur beschleunigen sich Zersetzung und Oxidation als chemische Reaktionen auf die Umgebung. Die entsprechende Daumenregel lautet: Bei einer Senkung der Betriebstemperatur um 10 Grad Celsius erhöht sich die Lebensdauer der Komponente um das Doppelte. Im Normalfall nimmt die Spannungsfestigkeit der verwendeten Materialien mit der Zeit nach und nach ab.
Die Normen für Isolationsmaterial berücksichtigen diesen Umstand, sie wählen die Materialermüdung als Endlife-Kriterium. So legt die IEC 60454 fest, dass Polyesterfolien nach 20 000 Stunden bei einer Betriebstemperatur von 130 Grad Celsius noch die Hälfte ihrer ursprünglichen Festigkeit aufweisen müssen. Aber nicht nur Wärme beeinflusst die Isolierungen, es gibt weitere Faktoren:
- Kälte führt zu Materialbrüchen und Spannungsrissen
- Vibration, Überdehnung und Abrieb gelten als mechanische Belastungen und verursachen ebenfalls Schäden
- Feuchtigkeit
- Chemische Belastungen durch Schmiermittel, Lösemittel oder Salzanteile
- Energiereiche Strahlung im Umfeld, also auch UV-Licht
Ausfälle durch elektrische Faktoren begünstigen einen Kriechstrom
Eine handelsübliche Polyesterfolie, als Isolationsstoff eingesetzt, hat eine hohe Spannungsfestigkeit. Diese ist deutlich höher als die der Luft, die den Isolator und den elektrischen Leiter umschließt. Teilentladungen entstehen, wenn eine Spannungserhöhung die Durchschlagsspannung einer Luftstrecke zwischen spannungsführenden Teilen beinahe erreicht. Bei feuchter Witterung kann ein Beobachter diese als ein leises Knistern an Hochspannungsleitungen wahrnehmen.
Eine weitere maßgebliche Ursache für Teilentladungen findet sich in der Geometrie elektrischer Leiter. Besonders wen das elektrische Feld inhomogen ist, entstehen Fehlströme. Korrigiert der Hersteller hingegen die Prüfanordnung, fallen die Teilströme deutlich geringer aus.
Schädigungen des Isolationsmaterials
Wer aber nun die Auffassung entwickelt, dass vergossene Materialien eine Alternative sein könnten, muss sich eines besseren belehren lassen. In Vergussmassen entstehen Fehlstellen oft durch Gaseinschlüsse, in denen Teilentladungen entstehen. Sie schädigen mit der Zeit die Isolation, bis ihre Stärke nicht mehr ausreicht.
Die Teilentladungen schädigen das Material zusätzlich. Durch sie entstehen UV-Licht und Ozon, und durch diese Belastung erodiert die Oberfläche der isolierenden Schicht. Ist die umgebende Abschirmung nachhaltig abgetragen, kommt es bei nun reduzierter Spannungsfestigkeit schließlich zum Stromschlag durch die Isolierung.
Einen zuverlässigen Schutz erhält man durch einen angemessenen Abstand zwischen den Leitungen und Komponenten. Denn so vermindert sich die elektrische Feldstärke und die mit ihr verbundenen Ionisierung der Luft. Als Alternative gelten Folien, denen organische Komponenten beigemischt wurden. Sie weisen eine deutlich höhere Lebensdauer auf.
Kriechstrom: Vorbeugen durch sachgemäße Verwendung
Aus dem Gesagten geht unmissverständlich hervor, dass der Nutzer einen erheblichen Teil zur Vermeidung von Kriechströmen beitragen kann. Dass elektrische Geräte nicht mit Wasser in Berührung kommen sollten, dürfte jedem geläufig sein. Aber auch eine fortlaufende Bestrahlung von Netzteilen, Computer oder anderen mit Sonnenlicht ist zu vermeiden.
Besonders Smartphones und Tablets sind anfällig für Störungen, die eine Überhitzung verursacht. Denn die Kleinräumigkeit der Geräte erfordert eine erhebliche Komprimierung von Gussteilen. Als reicht bereits eine relativ kurze Zeit in der Sonne aus, um einzelne Komponenten durch die entstehenden Kriechströme erheblich zu beschädigen.